Matronen
Auf römischen Weihesteinen sehen wir sie sitzen: Drei Frauen nebeneinander mit
Früchten auf dem Schoß. Matronis „den Matronen“ wurden die Steine gewidmet, daher
kennen wir ihren Namen. Er erinnert an mater, lateinisch für „Mutter, Quelle einer Sache,
Ursprung“, dessen Ableitung „Materie“ unser Begriff für alles ist, was unser physisches
Dasein manifestiert. Die Botschaft der Matronen als Quelle unseres materialisierten Seins.
Sie sind Göttinnen, wie uns die Inschriften deabus „den Göttinnen“ verrät, doch sie tragen
Gewänder wie die Menschen in der Zeit, als ihnen Tempel aus Steinen errichtet wurden: in
der Tracht der Ubier, die ab dem ersten nachchristlichen Jahrhundert hier lebten.
Matronen als Göttinnen in Menschengestalt, in Stein geschnittener Ausdruck von
Verbindung zwischen Geist und Körper im Menschen.
In ihren Händen tragen sie Materie: Früchte in
Schalen, in Körbchen oder einzeln, auf den Knien, in
ihrem Schoß. Sie zeigen weder eine gebende Geste,
noch eine empfangende, eher Ausdruck einer
hütenden Präsenz: Matronen als Hüter der Früchte,
dessen, was nach Wachsen, Blühen und Reifen als
Essenz des Gewordenen demjenigen der sich ihnen
nähert nährt und neuem Leben dienen kann.
Es gibt zahlreiche einstige Tempelorte in der Eifel im vorrömischen Siedlungsgebiet der
Eburonen, an denen Menschen zu römischer Zeit den Matronen Weihesteine widmeten.
Ortseigene Beinamen weisen auf den jeweiligen genius loci hin.
Dazu gehören die rekonstruierten Tempelanlagen der aufanischen Matronen Görresburg
bei Nettersheim, der fachinehischen Matronen bei Zingsheim und der vacallinehischen
Matronen bei Pesch. Von dort findet später auf unbekanntem Wege ein Weihestein nach
Weyer und wurde als Altar in die Kirche eingebaut, wo man ihn 1991 bei einer Renovierung
entdeckte. Kopien davon stehen heute an der Straße in Weyer, in Pesch und im
Naturzentrum in Nettersheim.
Vorrömische Göttinnen in einem römischen Stein im Altar einer christlichen Kirche: so
zieht sich die Verehrung weiblicher Göttlichkeit wie selbstverständlich durch die
Jahrtausende.
Die Verehrung dreier Frauen blieb im Volke durch alle Epochen hindurch lebendig, obwohl
sie zunächst als „heidnisch“ galt. Im frühen 11. Jahrhundert fragt Bischof Burchard von
Worms etwas empört in einem Bußbuch, ob zu Hause immer noch den drei Schwestern
geopfert wurde. Ja. Und man ließ nicht davon ab. Sie wurden schließlich in die christliche
Ikonographie integriert, und in der Nikolauskapelle des Wormser Doms findet sich heute
noch die gotische Darstellung der drei Heiligen Jungfrauen, jetzt als Einbede, Warbede
und Willebede. Anderswo wurden sie zu Fides, Spes und Caritas, also Glaube, Hoffnung
und barmherzige Liebe.
Heute ist das Bewußtsein für die Göttin in ihrer
eigentlichen Bedeutung weitgehend verloren
gegangen und sie hat es verdient, wiederbelebt
zu werden, die Göttin als zyklisches Prinzip, das
in allem Lebendigen waltet, ausgedrückt in ihren
Aspekten, jenseits von Kultur und Religion.
Das Bild der Großen zyklischen Göttin in ihrer
Dreigestalt kann uns im Vertrauen bestärken, in
eine Zukunft voranzugehen, die in ihrem beständigen Wandel in eine ewige Weisheit
eingebettet ist.
Matronentempel Görresburg
Bis vor einigen Jahren blickte der Besucher
beim Betreten des Kulthofes von Osten auf
Abgüsse römischer Matronenweihesteine.
Sie vermittelten dem betrachtenden
Menschen etwas von der Ruhe, Liebe und
tiefen Kraft der ewig wirkenden und als
Dreiheit lebendigen Göttin. Durch sie
konnte man sich der besonderen
Atmosphäre des Ortes leicht öffnen. Wie
einst brachten Pilger und Wanderer traditionell gerne Gaben hierher, als Dank oder Bitte
oder in Respekt für die Göttlichkeit der Erde und legten sie dort ab.
Im Zuge der touristischen Aufwertung der Römerstraße
wurden leider diese Abgüsse entfernt und damit die
bisherige Möglichkeit, den Matronen etwas zu bringen
unterbunden. Stattdessen stehen auf der linken (der Süd-)
Seite de großen Tempels digital erstellte Ersatzkopien,
welche Karikaturen gleichkommen und nicht ernst zu
nehmen sind. Ich empfehle, sie nicht innig zu betrachten,
da sie einen verspottenden Charakter äußern. Ihre
Ikonografie ist nicht mehr ersichtlich, ihr Ausdruck nicht
heilsam.
Einzig der Stein auf der Rückseite der großen Cella ist noch der Abguß von einem Original.
Sie können bei mir Führungen und Vorträge zu Matronen buchen
Wanderung rund um die Kultur-
und Naturgeschichte der
Matronenverehrung mit Besuch
der archäologischen Sammlung
des Naturzentrums Eifel
Nach einer Einführung in der archäologischen Ausstellung zu Hintergründen der
Matronenverehrung in keltischer und römischer Zeit spazieren wir zum Matronentempel
Görresburg. Unterwegs betrachten wir den geschichtlichen Werdegang und das Urbild der
Mutter, wie es beständig in der Natur erfahren werden kann und folgen den Spuren der
dreifachen Göttin bis ins heutige Christentum. Dabei treffen wir auf ein modernes
Matronenkunstwerk und entdecken immer wieder spannende Bezüge zwischen der alten
Kultur und den Fragen des heutigen Lebens. Dies öffnet hoffnungsvolle Wege in die
Zukunft. Auf dem rekonstruierten Tempelplatz mit Matronenweihesteinen lässt sich die
gegenwärtige Qualität eines heiligen Ortes erleben.
Picknick und Aufenthalt dort anschließend sind möglich.
Presse: Im Geist der
drei Matronen
(Rundblick 2009
Vortrag
Die dreifache Göttin in der keltischen Kultur und heute
Zu keltischer Zeit spielte die regelmäßige Wiederkehr natürlicher Vorgänge eine große
Rolle. Das Jahr, der Tag und das Leben waren in Phasen gegliedert, die dem Menschen
ein Lebensgefühl der Geborgenheit in ständigem Wandel geben konnten. Solche Phasen
wurden der großen Göttin zugeordnet. Märchen, Farben, Bäume und Riten drücken diese
Gestalt der Göttin aus. Sie lassen sich als Dreigestalt in Phänomenen wiederfinden, die in
erstaunlichem Maße auch heute unser Leben beeinflussen.
Wir erfahren auch, warum Schneewittchens Stiefmutter eifersüchtig auf sie war und
warum der Storch die Kinder bringt.
Der Vortrag eröffnet eine neue Sichtweise auf geistesgeschichtliche Zusammenhänge
von vorchristlicher Zeit bis jetzt. Bei genauerer Betrachtung geben uns die alten Bilder
Hilfe zur praktischen Lebensbewältigung in der Gegenwart.
Im Jahre 2023 wurde von Laura Hirch ein Dokumentationsfilm zur Großen Göttin
veröffentlicht.
In der 6. Episode „Finding Roots. Sich mit den verborgenen spirituellen Wurzeln in
Europa verbinden" wurde auch mit Ausführungen von mir an den Matronentempeln
gedreht.
Die Episode ist in deutscher Sprache. Der Zugang ist hier zu erwerben: